Apr 30, 1998

bericht: "Wer zündete die Häuser an?"

2008-04-30
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Seit dem 10. Oktober dürfen EinwohnerInnen des zerstörten palästinensischen Flüchtlingslagers Nahr al-Bared in Nordlibanon in die Ruinen ihrer Häuser zurückkehren. Der Kern des Flüchtlingslagers allerdings, das sogenannte "alte Camp", sowie Teile des "neuen Camps", bleiben unzugänglich und sind immer noch unter exklusiver Kontrolle der libanesischen Armee.

Am 31. März 2008 machte die libanesische Armee einige Dutzend Häuser in der Sahabe- und der Majles-Strasse nahe des alten Camps wieder zugänglich. In der Majles-Strasse wurden 20 Gebäude auf der einen Strassenseite geöffnet, während die andere Seite noch immer durch Stacheldraht und Checkpoints abgesperrt bleibt. Die meisten Häuser wurden von mindestens drei Familien bewohnt und waren meist zwei- bis vierstöckig.

Als die Menschen in ihre zerstörten Häuser zurückkehrten, bemerkten sie, dass ein beträchtlicher Teil ihres Hab und Guts spurlos verschwunden war. Insbesondere Möbel, Kleider und elektronische Geräte wie Fernseher, Kühlschränke, Computer, Gasöfen und Waschmaschinen schienen bei den Plünderern begehrt gewesen zu sein. In manchen Häusern wurden sogar die Fenster- und Türrahmen, die Türen selbst oder Teile der Badzimmerausstattung wie WC's oder Wasserhähne entfernt. Falls die Gegenstände nicht gestohlen wurden, wurden sie verbrannt oder zerstört.

In allen 20 Häusern in der Majles-Strasse finden sich Brandspuren. Oft sind ganze Räume oder gar Stockwerke vollständig ausgebrannt. In manchen Fällen finden sich klare Hinweise dafür, dass Möbel angezündet wurden, um Feuer zu entfachen. Im lokalen Gemeinschaftszentrum beispielsweise konnten eindeutig drei Brandherde identifiziert werden. In mindestens 16 Häusern finden sich Spuren von Öl, Benzin oder anderen Brennstoffen an den Wänden. Deshalb bezweifeln viele EinwohnerInnen, dass die Brände durch Granaten, Raketen oder Bomben verursacht worden sind. Vielmehr verdächtigen sie die libanesische Armee der manuellen Brandstiftung.

In vielen Häusern fanden sich rassistische, sexistische oder erniedrigende Graffiti, die meist gegen EinwohnerInnen Nahr al-Bareds bzw. gegen palästinensische Flüchtlinge im Allgemeinen gerichtet waren. In manchen Fällen übermalte die Armee die Sprayereien selbst, bevor sie die BewohnerInnen in ihre Häuserruinen zurückkehren liess.

Seit dem offiziellen Ende der Kämpfe Anfang September 2007 bis am 30. März 2008 war die gesamte Majles-Strasse unter exklusiver Kontrolle der libanesischen Armee. BewohnerInnen, welche einmalige Bewilligungen erhielten, um während sehr kurzer Zeit einiges Hab und Gut aus den Trümmern ihrer Häuser zu bergen, wurden stets von Soldaten begleitet und Journalisten hatten keinen Zugang. Das Militär trägt daher die volle Verantwortung für die Geschehnisse in diesem Gebiet und den Häusern während dieser Zeit.

Die Majles-Strasse dient als Beispiel für das gesamte Nahr al-Bared Camp. Es gibt klare Belege für massive Plünderung, Brandstiftung und mutwillige Zerstörung überall im Flüchtlingslager. Der systematische Charakter dieser Geschehnisse deuten auf die Umsetzung einer gezielten Politik der kollektiven Enteignung hin.

a-films hat zum selben Thema einen 10-minütigen Kurzfilm produziert.

Dieser Report wurde von einem unserer AktivistInnen verfasst. Die englische Originalversion wurde hier auf Electronic Intifada publiziert.